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„Gedanken über Chardonnay“
ist jetzt als e-Book erhältlich bei Amazon / Kindle für EURO 3,40
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Diese Gedanken wurden zum ersten mal vor knapp 30 Jahren in einem kleinen Büchlein im Eigenverlag veröffentlicht und warten seither darauf, von einem Verlag wach geküsst zu werden.
„Was ist Vernunft? Der Wahnsinn aller?“
Wenn der niederländische Philosoph Baruch de Spinoza mit diesem Sinnspruch Recht hat, dann ist jeder unvernünftig, wenn er nicht das macht, was alle machen? Aber haben alle gleiche Sinne, Wahrnehmungen? Gleichgültig ob mit Vernunft oder ohne, ob mit Wein oder ohne Wein!
Schon Charles de Secondat, Baron de Montesquieu hat bestätigt, dass die meisten Dinge, die uns Vergnügen bereiten, unvernünftige Dinge sind .
Chardonnay trinken ist demnach unvernünftig – nicht alle trinken ihn – erst recht mögen ihn nicht alle.
Oder? Verfolgen wir eine weinlaunige Diskussion von Freunden des bacchischen Genusses – irgendwo in der Nähe eines gut sortierten Weinkellers:
„Ich trinke ausschliesslich Chablis „, bemerkt Wolfgang „Die kräftige Säure, diese deutliche, mit einem Hauch von Salz geprägte jugendliche Trockenheit – frisch, fruchtig leicht und jung, trotz seines Alters – der Chablis ist wie ich“ und nimmt einen Schluck von seinem grünlich-goldfarbenen Chablis Grand Crû vom Château Grenouilles , Jahrgang 2010. „Du und Dein grüner Geschmack.“ erwidert Detlef „Nichts geht über ein imposantes Bukett, dem vollmundigen Genuß mit leichtem Anklang von Nüssen und Zimt und einem kräftigen, nachhaltigen und leicht an Butter und Mandeln erinnernden Abgang. Meursault ist der Inbegriff des Weissweins. Mein Wein hat ein brillantes Honiggelb zu bieten – wie die Sonne in meinem Herzen“ und schlürft schmatzend einen viel zu jungen (aber deshalb noch bezahlbaren) 2011er 1er Crû Charmes von der Domaine Comtes de Lafon . „Den kann ich noch im Jahr 2020 trinken“. „Warum wartest Du dann nicht? Seit meinem letzten Kurztrip in die Steiermark bin ich nur noch vom Morillon begeistert. So eine Fruchtbombe, die das neue Holz bestens ausbalanciert, ein Konzentrat das den 2012er Jahrgang verleugnet – ein solches Musterbeispiel gekonnten Barriqueeinsatzes habt ihr noch nicht getrunken. Ihr solltet unbedingt von meinem Tement aus Berghausen, Ried Zieregg, probieren. Qualitätswein steht auf der Flasche, nicht mehr. Drinnen ist kräftiges Gold, ein komplexes Duftspiel nach Dörrfrüchten und Schokolade, cremig und extraktreich. Bei dieser Rebsorte bleibe ich“ schwärmt Wilfried von seiner vermeintlichen Neuentdeckung, gerade zurückgekehrt von einer seiner typischen (12-bzw. 24-Stunden-Autofahrt-) Wein-Kurztrips.
„Auf die Rebsorte kommt es doch gar nicht an. Hier auf meinem Lieblingswein steht nur vino da tavola bianco. Aber der Name spiegelt das Paradies wieder: Where the Dreams have no End… Nur hier beginnt der wahre Traum (und ich meine nicht die Yacht gleichen Namens). Diese weiche, trotzdem fette und seltene Ausgewogenheit, diese wundervolle Barriquereife – wie kann man anderes trinken“ fabuliert Silvia und sucht mit den Augen schon die nächste Flasche. „Iß lieber nur ein Stück und trink nur ein Glas vom Besten als drei vom Mittelmäßigen oder gar Schlechten. Und der Beste heißt Corton-Charlemagne “ murmelt Rudolf etwas verhalten aufgrund seiner zweiten Flasche 2001 Louis Latour . “ Dieses reichhaltige, volle Spiel von Früchten und Eiche, noch nervig, aber nuanciert, trotzdem komplex mit großer Fülle und reich an Feinheit und Eleganz. Stets gibt es immer noch etwas geschmacklich zu entdecken aufgrund seiner Würze und seines ausladenden, kraftvollen Bodengeschmacks. Nicht zuletzt hat dieser Wein Liebhaber auf der ganzen Welt. Präsident John F. Kennedy ließ bei Staatsbanketten für französische Gäste regelmäßig Corton-Charlemagne zu Hummer und Lachs servieren. Prinz Bernhard der Niederlande ließ sogar zum Hochzeitsdinner der Königin Beatrix einen Corton-Charlemagne aus dem Haus Louis Latour aus deren Geburtsjahrgang 1938 kredenzen. Zu verdanken haben wir diesen großartigen Wein keinem geringeren als dem Frankenkönig und Kaiser Karl der Große (im französischen Charlemagne) (742-814).“
Also doch – alle trinken Chardonnay
„Mein Favorit kommt aus Kalifornien und…“
Unterbrechen wir an dieser Stelle diesen typischen Weinsnobismus mit seinen Angebereien und oralen Weinnotizen und stellen fest, daß ausnahmslos alle Weinfreunde einen Chardonnay getrunken haben und alle – bewußt oder unbewußt bzw. wissend oder unwissend – die Rebsorte Chardonnay als das Paradies des Weingenusses betrachten. Diese bewundernswerte Rebsorte hat eben viele Synonyme im Laufe der Weingeschichte erhalten. Arnaison, Arboisier, Aubaine, Auvernat, Bâtard, Beaunois, Bourgogne Blanc, Chardennet, Chardenai, Chardonnet, Chaudenay, Chevalier, Epinette, Gamay Blanc, Gelber Weißburgunder, Mâconnais, Melon d’ Arbois, Noirien Blanc, Petet Châtey, Petite Sainte-Marie, Pinot Blanc á Cramant, Plant de Tonnerre, Puligny-Montrachet, Rousseau, Roussot, Weißer Clevner sind nur einige Bezeichnungen für einen weißen, 100%igen Chardonnay. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre war mehr Verbrauchern der Chardonnay ein Begriff als die Namen der beiden wohl großartigsten weißen Burgunder Meursault und Montrachet.
Der Sparsame trinkt auf alle Fälle Chardonnay
Wolfram Siebeck stellt in seinem kurzweilig zu lesenden Buch – Über Wein – lapidar fest: „Das praktische Wissen vom Wein, die Erfahrung, muss stets teuer erkauft werden. Ich glaube, jeder Weinkenner kann das Resümee ziehen. Auf eine gute Flasche Wein, die er trinkt, kommen zwei weniger gute und eine schlechte. Und das ist sogar noch ein guter Durchschnitt! Denn es werden auf der Erde jährlich weit über 400 Millionen hl Wein erzeugt, wovon 95 % für den Genießer völlig belanglos und für den Kenner uninteressant sind.“
Ist es dann nicht verständlich, daß insbesondere sparsame Menschen immer mehr dazu übergehen, ausschließlich nur noch Chardonnay zu trinken? Geld und Zeit sparend, Aufwand und vor allem schlechten Geschmack vermeidend nur das genießen, was ihnen wirklich mundet ohne Kenntnis der Herkunft, der technischen Erzeugung und der familiären Hintergründe geschweige den gesundheitlichen Gebrechen des verantwortlichen Winzers bzw. Kellermeisters. Die kulturell unbelasteten Amerikaner verwenden nicht zu Unrecht den Spruch „Wine, to me, is like modern art. I know very little about it, but I know what I like and I like quite a lot of it“.
Ist es nicht geradezu jedermanns Pflicht, alle zu Sparsamkeit (insbesondere in der heutigen Zeit) und gutem Geschmack (und hier insbesondere Politiker und Verbandsaktivisten) anzuhalten? Aufklärerisch, überzeugend wirkend! Das wäre wohl ein Gebot der Vernunft.
Der Chardonnay Freundeskreis Stuttgart
In Stuttgart wurde 1770 der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel geboren, von dem unter anderem die Erkenntnis stammt: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“ So wundert es eigentlich nur, daß erst 1991 in Stuttgart der (immer noch erste und einmalige) Chardonnay Freundeskreis Stuttgart ins Leben gerufen wurde. Die 18 Gründungsmitglieder dachten dabei wohl weniger an Hegel oder Leo Tolstoi, der zu seiner Zeit schon der Überzeugung war, dass „in Widerspruch zur eigenen Vernunft zu leben, der unerträglichste aller Zustände sei“. Vielmehr orientieren sie sich mehr an Béla Hamvas’ – Philosophie des Weins – , in der er zum Weingenuss schrieb, „in jedem Wein wohnt ein kleiner Engel, der, wenn man den Wein trinkt, nicht stirbt, sondern zu den unzählbaren vielen Feen und Engeln gelangt, die dem Menschen innewohnen. Wenn der Mensch trinkt, wird der eintreffende kleine Genius von den bereits Anwesenden mit Gesang und einem Blumenregen empfangen. Die kleine Fee ist bezaubert und gerät fast in Feuer vor Freude. Diese Freude breitet sich im Menschen aus und erfaßt auch ihn. Dagegen kann er sich nicht wehren“.
Die Gründungsfeier des Freundeskreises
Da seinerzeit die konstituierende Gründungsfeier in der Vinothek & Gastrosophie Délice in Stuttgart mit einer Chardonnay-Weinverkostung in Begleitung eines gastrosophischen Genusses zubereitet vom österreichischen Küchenmeister Friedrich Gutscher (heute Burgenland) und fachmännisch kommentiert und moderiert vom vielfach ausgezeichneten Sommelier Frank Kämmer stattfand, hat sich auch niemand der damaligen 18 Teilnehmer gewehrt. Spontan nach Shakespeares’ Jago im Othello „Guter Wein ist ein gutes, geselliges Ding, wenn man mit ihm umzugehen weiß“ wurde der Freundeskreis ins Leben gerufen: unproblematisch, formlos, ohne Vereinsgründung und ohne Satzung geschweige denn Ehrenämtern.
Aber es war die einfache logische Konsequenz aus dem erstmaligen Genuss eines achtgängigen Menues, welches vom Anfang bis zum Dessertwein ausschließlich von internationalen Chardonnays begleitet war:
Sekt – Blanc de Blancs – Robert Bauer Deutschland ’88
Frischer Ziegenkäse mit Walnüssen – Chardonnay Gesellmann Österreich ‘89
Perlhuhn-Gänseleber mit Salaten – Chardonnay – Piodilei Pio Cesare Italien ‘88
Breite Nudeln mit Jakobsmuscheln – Chardonnay Jean Leon Spanien ‘87
Steinbuttschnitte mit Spargel – Chardonnay Andrew Garret Australien ‘87
Risotto mit Langustinen – Chablis Les Preusses Grand Crû William Fèvre Frankreich ‘85
Kalbsfiletscheiben mit Morcheln – Cellermaster’s Selection Parducci Kalifornien ‘80
Kaiserschmarren mit schwarzen Nüssen – Chardonnay Auslese Triebaumer Österreich ‘86
In sich harmonisch und abgerundet und auf wundersame Weise aufeinander abgestimmt und mit einer zielsicheren Dramaturgie komponiert. Und das alles für einen Pauschalpreis (einschließlich Wasser, Kaffee, Service etc.) für DM 200 ganz im Sinne von Martin Luther , dass „der ersparte Pfennig stets redlicher ist als der erworbene„.
Die Folgen…
Zahlreiche offizielle Veranstaltungen dieser außergewöhnlichen Wine-Art folgten bis heute mit jeweils vorher nicht zu erwartenden, weiteren spektakulären Höhepunkten; so zum beispiel am monatlichen Chardonnay Stammtisch. An einige Veranstaltungen aus den ersten fünf Jahren sei noch einmal erinnert:
Hotel InterContinental Stuttgart – Weltreise / Wielandshöhe Stuttgart – erste Deutsche / Délice Stuttgart – österreichische Weinreise / Di Gennaro Stuttgart – italienische Weinprobe / Schloss Solitude – Französiche, nicht aus Burgund / Alter Simpel Stuttgart -Neuseeländer-Verkostung / Traube in Tonbach – italienische Gala / Agnes Amberg, Zürich – schweizer Galadinner / Schloß Lehrensteinsfeld – einheimische Rivalen / Hotel InterContinental Stuttgart – Australien / Siegfried Keck’s Clubrestaurant – crazy California / Residenz Heinz Winkler Aschau – Gala Diner / St. George Club Stuttgart-burgundische Specials / Hirschen in Fellbach beim Ehepaar Oberkamm / Wielandshöhe Stuttgart – Low budget Burgundy / Traube in Tonbach – Weihnachts-Chardonnays / Restaurant la Cour d´Alsace – querfeldein / Schloßhotel Friedrichsruhe – Deutsche again / Restaurant Waldhorn Ravensburg – Albert Bouley.
Diese fünfjährige Perlenkette von Höhepunkten hat oft an Kurt Tucholsky erinnert, der bedauerte, „schade, dass man einen Wein nicht streicheln kann“.
In Ergänzung wurden von den Freunden einige weitere inoffzielle, oft spontan organisierte und unkonventionelle Weinverkostungen angeboten, bei denen teilweise auch sehr exotische Chardonnays auftauchten: koscherer Chardonnay aus Israel, kanadische Enttäuschungen (aus 1982 an Ahornsirup und ausdrucklosem, vergorenen Traubensaft erinnernd) oder die ersten legendären Neuseeländer (z.B: 1990 Babich von Stopbank/Hawke’s Bay ).
Da der Chardonnay Freundeskreis Stuttgart stets durch kritisches Prüfen, Probieren und Wählen die mannigfaltige Vielfalt der diversen Ausprägungen der Rebsorte Chardonnay ergründen will, spart er bei seinen Degustationsbemerkungen auch nicht mit der Wahrheit. Schon Friedrich Rückert hat festgestellt, dass „die Wahrheit im Wein ist. Das heisst: in unseren Tagen muss einer betrunken sein, um Lust zu haben, die Wahrheit zu sagen“.
In vino veritas mag man da nur noch rufen. Allerdings überwiegen diejenigen Chardonnays, die man aufgrund ihrer Harmonie und Ausprägung streicheln wollte. Schon 1825 schrieb Brillat-Savarin in seiner Physiologie des Geschmacks, dass „die deutschen Gelehrten der Ansicht sind, dass jene, welche für die Harmonie empfänglich sind, einen Sinn mehr besitzen als die anderen“.
Anbaugebiete des Chardonnays
Dieser Geschmack beherrscht die Welt. Aber er wächst am wenigsten im Dorf gleichen Namens Chardonnay. Chardonnay hat eine nahezu magische Anziehungskraft. Da die „anspruchsloseste aller Rebsorten“ (Brian Croser) in unzähligen Stilen ausgebaut werden kann, verdrängt diese Allround-Edelrebe (von ca 8.000 weltweit bekannten Rebsorten) in fast allen klassischen Weinbaugebieten rund um den Globus die einheimischen Rebsorten. Von A wie Argentinien bis Z wie Zypern sind alle wesentlichen Länder enthalten; sogar Bulgarien, Dänemark, Großbritannien, Holland, Israel, Japan, Libanon, Liechtenstein, Spanien und und und. In China zeigt der Chardonnay sogar, dass er in jedem politischen Klima anbaufähig ist. Auch in Deutschland (wo ca. 50 verschiedene Rebsorten angebaut werden) müssen schon Rieslingreben weichen, seit der Chardonnayanbau 1991 teilweise freigegeben worden ist. Der schmelzige Charme seiner international renommierten Vorbilder, und hier nicht nur der Erfolg der großen weißen Burgunder, führt dazu, dass er auf nahezu allen Böden, egal ob neutral, sauer oder äußerst kalkhaltig, und bei verschiedensten Klimabedingungen angepflanzt wird und nach allen nur denkbaren Ausbaumethoden (Edelstahl- oder Eichenfaß; neues oder altes Faßholz etc.) form- und gestaltbar ist.
Nach Tim Atkin ist der Chardonnay wie der Anti-Held Zelig in Woody Allens gleichnamigen Film; so etwas wie ein Chámäleon, vortrefflich ausgestattet um sich jederzeit und blitzschnell an seine direkte Umgebung anzupassen. Der Chardonnay ist ein Muster an Fügsamkeit und entgegenkommender Art und erlaubt ein viel breiteres Spektrum an Kellertechniken als die meisten weißen Traubensorten. Wo immer er gepflanzt wird, gibt er sich selbst unter ungünstigen Verhältnissen freimütig und attraktiv bei guten Erträgen und macht im Weinberg kaum Schwierigkeiten. Dadurch verfügen Chardonnays von hoher Qualität sehr oft über reichhaltige Geschmacksnuancen, die oft erst durch die Flaschenlagerung (gelegentlich > 20-30 Jahre!) spürbar werden. Das persönliche Geschmacksempfinden wird also wesentlich von der gewählten Stilrichtung bei der Weinbereitung beeinflußt und kann daher nie „sortentypisch“ beschrieben werden. Wir kennen den typischen Chablis, Mersault, Montrachet oder Corton-Charlemagne genauso wie den traditionellen oder sophisticated kalifornischen Stil, den übertriebenen französischen Stil oder den frischen Neuseeländer-Stil und viele Stilarten werden uns noch erreichen aus den exotischsten Ecken der Erde. Die Chardonnay-Weinfreunde sind überall in der Welt und stets versammelt und ihre Anzahl steigt unaufhaltsam, weil der Chardonnay in Bestform für sie mit seiner reichhaltigen konzentrierten Art und großen Langlebigkeit der Inbegriff eines trockenen und gleichzeitigen körperreichen Weißwein darstellt.
Chardonnay und Champagner
Was wäre aus der Welt geworden ohne die mythische Erfindungen der Klosterbrüder; allen voran der Benektinermönch Dom Pérignon und Dom Ruinart, denen wir das heiterste und leichtlebigste Weinprodukt aller Zeiten zu verdanken haben: den Champagner. Ein alkoholisches Getränk mit einer unendlichen Anzahl, von unablässig nach oben strebenden Bläschen, die selbst nach 40, 50, ja sogar nach über 60 Jahren eine Offenbarung sein können, sofern es sich um klassische Champagner aus Spitzenjahrgängen – optimale Lagerhaltung über all die Jahre vorausgesetzt – handelt. Dank des französischen Arzt und Naturforschers Denis Papin, ohne dessen Erfindung der heute immer noch von allen namhaften Produzenten verwendeten typischen festen Champagnerflasche, kann dieses unruhige, spritzige Getränke fast unendlich lange gebändigt und gelagert werden.
Sogar die stillen Champagner haben einen großen Liebhaberkreis gefunden.
Warum ist Champagner eine Ausnahme unter den Weinen? Weil er in den meisten Fällen zu 100 % aus Chardonnay besteht und nur von Fall zu Fall durch die Beigabe von Pinot Noir oder anderen regionalen Rebsorten abgerundet werden muss. Nur der Chardonnay ist Garant für die Konzentration, die Langlebigkeit und die andauernde Komplexität des Champagners.
Chardonnay und die Gesundheit
„Chardonnay hilft bei Schlaflosigkeit.“ – „Macht er müde?“ – „Nein, aber er hebt die Freude am Wachsein.“
Die vermeindlichen gesundheitlichen Vorzüge von Rotwein sind aus französischen und kalifornischen Studien bekannt. Aber auch der Chardonnay – insbesondere der etwas säurebetontere aus deutschen Landen – scheint eine cholesterinsenkende Wirkung zu besitzen. Außerdem soll sich das Thrombose- und Embolie-Risiko verringern und die Durchblutung der Nieren verbessern; dadurch wird die Ausscheidung von Giftstoffen gefördert und das Immunsystem gestärkt, indem gewisse Bakterien abgetötet werden. „Der Herr lässt die Arznei aus der erde wachsen, und ein Vernünftiger verachtet sie nicht!“ (Sirach 38, Vers 4)
Voraussetzung allerdings ist – ganz nach Paracelsus – ein täglicher, aber maßvoller Genuss.
Temperatur beim Trinken
Das persönliche Geschmacksempfinden ist so unterschiedlich, wie die zahlreichen Chardonnays verschieden sind; deshalb kann es auch keine optimale Trinktemperatur geben. Während große Burgunder 14° und mehr vertragen, sind für aromatische Chardonnaysorten 10° bis 12° angebracht. Dessertweine hingegen haben es gerne etwas kälter.
Die wichtigste Regel ist aufgrund der vielen Ausnahmen jedoch, dass der Chardonnay-Freund nur durch Probieren im Einzelfall die besten Resultate erzielt und seinen Chardonnay des Jahres findet.
Diese Empfehlung gilt übrigens auch für die Frage, ob der Wein rechtzeitig vor dem Trinken geöffnet oder gar dekantiert werden sollte; viele Chardonnays profitieren vom rechtzeitigen Öffnen oder gar Dekantieren.
Ideale Chardonnay Weinkeller
Was ist jetzt der richtige Inhalt für einen Chardonnay-Weinkeller? Welchen Grundstock sollte jeder Chardonnay-Freund sein Eigen nennen dürfen? Vorausgesetzt, es bestehen ideale Weinlagerbedingungen wie konstant niedrige Temperatur von 10° – 12° und ausreichend hohe Luftfeuchtigkeit von 75 % bis 80 %, Einzellagerung der hochwertigen Flaschen in Steinfächer bei hinreichender Belüftung und Meidung starker Fremdgerüche, sollten die folgenden Chardonnays in seinem Weinkellerbuch verzeichnet sein (getrennt nach T = Chardonnays für jeden Tag; F = Chardonnays für gute Freunde und J für Chardonnays für besondere Spitzenanlässe bzw. besondere Essen).
Geniesserische Vernunft
Für alle bezüglich der Höhe der Anschaffungskosten Bedenken Tragenden sei Wolfram Siebeck noch einmal zitiert: „Wer als Vorspeise sechs Austern für EURO 40 verzehrt und dazu eine Flasche Wein für EURO 120 genießt, muss verrückt sein; eine doppelt so teure Konzertkarte erregt weniger Aufsehen“. In diesem Sinne: Sind Sie nicht verrückt und holen Sie sich das Konzerterlebnis nach Hause in den Keller und in die heimatliche Wohnung. Oder wie anfangs schon erwähnt: „Was ist Vernunft? Der Wahnsinn aller!“
Der Autor wünscht Ihnen bei Ihren künftigen Chardonnays einen leiblich geistigen Hochgenuss und persönlichen Gewinn mit gleichgesinnten Freunden – ganz im Sinne der Gebrüder Grimm „Es schmeckt doch nicht so gut, als man gemeinsam isst und trinkt“. Folgen Sie also stets, wie Michel Onfray sagen würde, Ihrer genießerischen Vernunft und finden Sie Ihren Chardonny des Jahres. Und kombinieren Sie Ihre großen Taten und Leidenschaften; Golf und Chardonnay harmonieren prima miteinander.
Einige unvollständige deutschsprachige Literaturhinweise
Michael Broadbent , Weine, prüfen, kennen, genießen. Erstes komplettes Handbuch im deutschen Sprachraum für den privaten Weinliebhaber, 3. Auflage 1986, Raeber
Verlag Luzern und Stuttgart (Das Weinprüferbuch für alle, die ihrer Liebhaberei etwas Methode beibringen möchten.)
Schriftliches Konzept eines 75 minütigen Vortrages am 20. Februar 1992 von Dr. Bernd H.E. Hill , “ CHARDONNAY -Experte“, LVWO Referat Reben-züchtung und Rebenveredelung, La-Ferté-Bernard-Str. 14, 7128 Lauffen, Telefon: 07133/7955
Der große Johnson , Die neue Enzyklopädie der Weine, Weinbaugebiete und Weinerzeugnisse der Welt, 5. Auflage 1991, Hallwag AG Bern und Stuttgart (Pflichtlektüre)
Remington Norman , Côte D’Or – Die grossen Weingüter im Herzen Burgunds, Hallwag Verlag Bern und Stuttgart 1996
Jancis Robinson , Reben, Trauben, Weine. Ein Führer durch die Rebsorten der Welt 1987, Hallwag Verlag Bern und Stuttgart (empfehlenswertes, schönes Buch)
Jancis Robinson , Das Oxford Weinlexikon, Hallwag Verlag Bern und Stuttgart 1995 (empfehlenswertes, zweibändiges, allumfassendes Werk)
Michael Schuster , Der Weinkenner. Eine praktische Wein- und Degustationskunde, 2. Auflage 1991, Hallwag AG Bern und Stuttgart
Seminar-Handbuch „Deutsche Weine“ , 3. Auflage 1989, Herausgeber: Deutsches Weininstitut GmbH, Gutenbergplatz 3-5, 6500 Mainz 1, Telefon: 06132/28290 (Adresse ist immer gut für aktuelle Zahlen und Seminare)
Wolfram Siebeck , Über Wein, 1992, Eichborn Verlag Frankfurt (angenehm, kurzweilig zu lesen)
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Wein-Zeitschriften, die alle in Deutschland an Kiosken erhältlich sind, z.B.
VINUM (Schweiz) – DECANTER (UK) – WINE SPECTATOR (USA) – ALLES ÜBER WEIN (Frankfurt)
Siehe insbesondere: Alles über Wein, Heft 5/1991, Seite 30ff.: CHARDONNAY? – Ja, aber … (einer der ersten umfaßenden deutschsprachigen Artikel seinerzeit)
Englischsprachige Literatur
Tim Atkin, CHARDONNAY – VIKING, Penguin Group 1992: „When Tim Atkin compares Chardonnay to Madonna , he may not be thinking solely of the grape’s star status: Chardonnay shares some of Madonna’s Protean ability to change from blonde to brunette, sophisticate to slut.“ (Ein ebenfalls leider schon vergriffenes Muß-Buch)
James Laube , California’s Great CHARDONNAYS , The Wine Spectator’s Ultimate Guide for Consumers, Collectors and Investors, 1990, Wine Spectator (Ein Muß für Liebhaber kalifornischer CHARDONNAY )
Alan Young, CHARDONNAY – Your international Guide, 1991, International Wine Academy, Napa-Sonoma, California, USA (sehr informativ)
Dank
Ohne die tatkräftige Unterstützung der zahlreichen Weinfreunde und Mitglieder des Chardonnay Freundeskreis Stuttgart hätte dieser Text nie entstehen können. Allen Chardonnay-Freunden mit ihren geistreichen Anregungen sei hiermit ein großer Dank ausgesprochen. Weitere Anregungen, Weingeschichten, Bonmots und vor allem Flaschen mit Chardonnays werden gerne entgegengenommen.
Dieser Carton stammt vom leider viel zu früh verstorbenen Volker Kriegel. (* 24. Dezember 1943 in Darmstadt; † 14. Juni 2003 in San Sebastián) war ein deutscher Jazzmusiker, Zeichner und Schriftsteller. Er gilt als einer der Protagonisten des Jazzrock in Deutschland und war entscheidend an der Etablierung und Entwicklung dieser Stilrichtung in Europa beteiligt.
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